Was sind Anleihen?
Was unterscheidet sie von Aktien?
Was beeinflusst den Preis von Anleihen?
Sind Anleihen die bessere, weil sicherere Geldanlage?
Im Beitrag zu Fonds wurden Renten- bzw. Anleihenfonds erwähnt und es wurde nicht weiter darauf eingegangen. Außerdem hört man das Wort immer wieder im Zusammenhang mit Investieren und Börse. Da stellt sich natürlich die Frage: „Was ist das überhaupt?“
Funktion von Anleihen
Anleihen (oder auch Rentenpapiere, Bonds oder Fixed Income Securities) sind ebenfalls Wertpapiere und dienen als solche Unternehmen und Staaten zur Finanzierung und Investoren als Kapitalanlage. Während Aktien Anteile am Eigenkapital eines Unternehmens verbriefen, verbriefen Anleihen Kredite, also Fremdkapital. Durch den Kauf von Aktien werden Anleger (Mit-)Eigentümer eines Unternehmens, mit Erwerb einer Anleihe zu dessen Kreditgeber. Und da Staaten keine Aktien ausgeben, stellen Anleihen eine weit verbreitete Möglichkeit zu ihrer Finanzierung dar. Anleihen sind also Instrumente, mit denen ganz normale Menschen einem Staat oder Unternehmen Geld leihen können, um für diesen Kredit Zinsen zu bekommen. Anleihen werden auch an der Börse gehandelt, so dass man die Summe, die man verleihen möchte, innerhalb gewisser Grenzen, selbst bestimmen kann.
Um eine Vorstellung davon zu bekommen, welche Bedeutung den beiden Wertpapierklassen jeweils zukommt, hier ein paar Zahlen: Im Jahr 2014 wurden die Finanzmärkte weltweit alle zusammen auf eine Größe von 294 Billionen USD geschätzt. Davon umfassten etwa 69 Billionen USD Aktien und gut das doppelte, etwa 149 Billionen USD, machten, global gesehen, Anleihen aus. Hier eine Übersicht:
Quelle: finanzen100.de
Wichtige Daten einer Anleihe
Im Beispiel mit dem Mietshaus der Petra und Paul Wohn AG, das für 400.000 EUR gebaut wurde, beträgt das Eigenkapital 100.000 EUR und das Fremdkapital 300.000 EUR. Anstatt zur Bank zu gehen, hätten Petra und Paul für ihr Fremdkapital auch eine Anleihe in Höhe von 300.000 EUR begeben können. Dazu beauftragen sie, wie bei Aktien, eine Bank, die die Anleihe innerhalb einer Zeichnungsfrist dann vermarktet. Dazu braucht sie die Konditionen des Kreditvertrags. Das sind im wesentlichen Zinssatz und Laufzeit.
Wir wissen bereits, dass Petra und Paul mit dem Haus jährliche Einnahmen von 24.000 EUR erzielen. Davon beanspruchen sie 6.000 EUR für sich als Gewinn. Verbleiben 18.000 EUR für den Kredit. Davon sind sie bereit jährlich Zinsen in Höhe von 9.000 EUR zu bezahlen, bei 300.000 EUR Fremdkapital entspricht das 3%. Also beträgt der Zinssatz der Anleihe, was in der Fachsprache jährlicher Kupon genannt wird, 3%. Anders als bei einem Bankdarlehen, wird die Anleihe nicht während der Laufzeit getilgt, sondern auf einen Schlag an deren Ende zurückbezahlt. Daher legen Petra und Paul jährlich 9.000 EUR für diese Rückzahlung zur Seite. Auf diese Weise haben sie nach gut 33 Jahren die 300.000 EUR zusammengespart. Daher wählen sie für die Laufzeit ihrer Anleihe 34 Jahre.
Weitere wichtige Informationen im Zusammenhang mit Anleihen sind das Auszahlungsintervall der Zinsen und die Stückelung. Bei der Auszahlung sind jährliche, halbjährliche und quartalsweise Rhythmen üblich. Petra und Paul wählen jährliche Auszahlungen. Die Stückelung legt fest, in wie viele Einheiten die Anleihe aufgeteilt wird. Üblich sind hier 100 EUR, 1.000 EUR, 10.000 EUR oder sogar noch größere Werte. Petra und Paul entscheiden sich für 1.000 EUR. Die Bank geht mit diesen Daten auf Investorensuche. Zusammengefasst sieht das dann so aus:
Ausgabepreis zu pari bedeutet, dass für eine Einheit der Anleihe 1.000 EUR bezahlt werden muss. Es ist auch möglich, die Anleihe mit einem Abschlag (Disagio) unter pari auszugeben oder mit einem Aufgeld (Agio) über pari. Eine solche Modifikation ermöglicht eine Veränderung der Kuponhöhe (bei festgelegtem Zinssatz) und beeinflusst die tatsächliche Verzinsung des Anlegers. Genauso, wie der Rückzahlungspreis, der ebenfalls variiert werden kann. Dadurch kann die Ausgestaltung der Anleihe ganz individuell an das Kapitalmarktumfeld und die Bedürfnisse des Emittenten angepasst werden. Diese Anpassungen beeinflussen den Kurs der Anleihe.
Nehmen wir an, die Bank konnte die Anleihe vollständig platzieren. Bei der Zuteilung hat der Investor Mathias 10 Stücke für 10.000 EUR erhalten, so dass sich für ihn folgende Zahlungsströme ergeben:
Zahlungsströme einer Anleihe aus Sicht des Anlegers
Nehmen wir weiter an, dass der Marktzinssatz, der üblicherweise als risikolos bezeichnet wird, 3% beträgt. In den Nachrichten wird dieser Zinssatz Leitzins genannt. Das ist der Zins, zu dem sich Banken bei der Zentralbank Geld leihen können, welches sie dann (für einen höheren Zinssatz, so verdienen Banken ihr Geld) an ihre Kunden weiterverleihen.
Einflussfaktoren auf den Anleihekurs
Der Kurs von Anleihen wird in Prozent des Nennwerts (Nominal) angegeben. In unserem Beispiel wird der Kurs etwa 100 betragen. Das liegt daran, dass risikoloser Marktzins und Kupon gleich sind. Anleihen werden zwar auch an der Börse gehandelt, wo Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Allerdings orientieren sich Angebot und Nachfrage der Investoren stark an den Zahlungsversprechen, die mit dieser Anleihe verbunden sind.
Und da den Investoren bekannt ist, dass das Unternehmen hinter der Anleihe, die Petra und Paul Wohn AG, ein Mietshaus besitzt, müssen diese nicht fürchten ihre Investition zu verlieren, bzw. ihre Kupons nicht zu erhalten. Bei dieser Einschätzung helfen sogenannte Ratingagenturen, wie z. B. Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch. Sie schauen sich die Geschäftsmodelle und Finanzberichte der Unternehmen genau an. Mit Hilfe eines Kriterienkatalogs bewerten sie Eigenschaften zur Zahlungskraft der Unternehmen, so dass sich am Ende eine Gesamtnote, das Rating ergibt. Bei solchen Ratings geht die Notenskala nicht wie in der Schule von 1 bis 6, sondern von AAA (triple A) bis D, mit vielen, von Agentur zu Agentur verschiedenen, Zwischenstufen wie AA+, A- oder BBB-. BBB- markiert auch die Grenze von Anleihen mit Investment Grade zu High Yield Bonds, auch Junk Bonds genannt, also spekulative Schrottanleihen mit hoher Verzinsung.
Sollte die Petra und Paul Wohn AG dennoch Konkurs anmelden müssen, würde die Gesellschaft liquidiert, sprich das Haus veräußert. Aus dem Verkaufserlös würde zunächst die Anleihe zurückbezahlt. Wenn dann noch Geld übrig ist, bekommen die Aktionäre Geld. Man sagt Eigenkapital wird bei insolvenzbedingter Rückzahlung nachrangig behandelt. Das ist auch ein wesentlicher Unterschied zwischen Eigen- und Fremdkapital, der sich in einem unterschiedlichen finanziellen Risiko für den Anleger niederschlägt. Aktien sind riskanter als Anleihen, was auch die unterschiedlichen Renditeerwartungen an die beiden Anlageformen begründet.
Da es sich bei der Petra und Paul Wohn AG also um ein Immobilienunternehmen handelt, bei dem die Risiken gut einzuschätzen sind und die Investoren das Risiko als sehr gering einschätzen, ist es möglich eine Anleihe mit einem Kupon, der dem risikolosen Zinssatz entspricht, zu platzieren.
Der Kurs wird etwa 100 betragen. So kann man leicht ausrechnen, dass eine Kuponzahlung von 300 EUR bei einer Investition von 10.000 EUR auch eine Rendite von 3% liefert, was dem risikolosen Marktzins entspricht. Tritt der EZB-Rat (die Entscheidungsträger der Europäischen Zentralbank EZB) zusammen, und beschließt, die Leitzinsen, z. B. auf 2% zu senken, dann würde der Kurs der Petra und Paul Wohn AG-Anleihe steigen. Das hat folgenden Grund:
Die Zinsen, die ohne Risiko für Einlagen bei einer Bank zu erzielen sind, betragen jetzt 2%. Investoren, denen es zuvor egal war, ob sie ihre Zinsen von der Bank oder aus der Anleihe bekommen, haben jetzt den Anreiz, die Anleihe zu kaufen, denn diese liefert bei vergleichbarem Risiko höhere Zinsen. Das würden viele Investoren machen, so dass die Nachfrage nach der Anleihe steigt. Wie bei den Aktien würde sich ein entsprechendes Orderbuch bilden und der Preis so lange steigen, bis ein Kurs erreicht ist, bei dem der Kupon von 300 EUR nur noch eine Rendite von 2% liefert.
Entsprechend sinkt der Kurs der Anleihe, wenn die Leitzinsen erhöht werden. Und weil Anleihen nicht nur von Unternehmen, sondern eben vor allem auch von Staaten, Bundesländern und Kommunen ausgegeben werden, ist das auch der Grund, warum sich alle vor Zinserhöhungen fürchten und die Treffen der EZB oder der FED (das ist die amerikanische Zentralbank) so große Beachtung finden.
Ein anderer Grund, warum der Kurs der Anleihe von Petra und Paul sinken könnte, ist wenn sich die Wahrnehmung des Risikos der Investoren verändert. Nehmen wir wieder an, der Leitzins beträgt 3% und der Kurs der Anleihe etwa 100. Jetzt kommt eine Studie heraus, die herausgefunden hat, dass die Bevölkerung in der Gegend, wo das Mietshaus von Petra und Paul steht, schrumpft. Die Ratingagenturen stufen die Anleihe von Petra und Paul von BBB auf CC+ herunter. Die Investoren fürchten für die Zukunft nun Leerstand bzw. sinkende Mieten. Dass das für die Bonität, also die Zahlungskraft, der Petra und Paul Wohn AG schlecht ist, ist klar.
Die Investoren verkaufen massenweise ihre Anleihen und das Angebot steigt. Der Anleihekurs sinkt unter 100. Man kann jetzt die jährlichen 300 EUR Kuponzahlung für weniger als 10.000 EUR kaufen. Bekommt man 10 Stücke der Anleihe mit einem Nominalwert von jeweils 1.000 EUR für 9.000 EUR, dann liefert die nächste 300 EUR Kuponzahlung eine Rendite von 3,33%. Werden die Stücke bis zum Ende der Laufzeit gehalten und von Petra und Paul vollständig zurückgezahlt (10.000 EUR), liegt die jährliche Verzinsung sogar noch höher. Die höhere Verzinsung, die mit der Anleihe gegenüber dem risikolosen Marktzins erzielt werden kann, stellt eine Risikoprämie dar, einen Gewinn, den man erzielen kann, weil man bereit ist, ein höheres Risiko in Kauf zu nehmen. Der (Mehr-)Zins ist sozusagen der Preis des Risikos.
Dieses Beispiel hat das inverse (entgegengesetzte) Verhältnis von Kurs und Rendite, welches für Anleihen gilt, verdeutlicht: Steigt der Kurs, sinkt die Rendite, sinkt der Kurs, steigt die Rendite. Manchmal hört man auch, dass Anleihen bei z. B. 3% rentieren. Das bedeutet dann, dass Zahlungsversprechen und aktueller Kurs (denn die Rendite drückt die gesamte jährliche Verzinsung inkl. Effekt der Tilgung aus) zu einer jährlichen Rendite von 3% führen.
Das war jetzt alles natürlich ziemlich starker Tobak, wenn man sich noch nie mit Anleihen beschäftigt hat. Trotzdem ist es wichtig das zu verstehen, um das Geschehen an den Finanzmärkten und insbesondere am Aktienmarkt einordnen zu können.
Daten aus der Realität
Wie gesagt, ist der Zins normalerweise die Einheit, in der der Preis für Risiko gemessen wird. Seit der Finanzkrise 2008 ist diese Funktion leider jedoch abhandengekommen. Galt bis Oktober 2008 noch ein Zinssatz von 4,25% für den Leitzins der EZB, rauschte der Zinssatz bis Mai 2009 auf 1% nach unten, erholte sich 2011 leicht auf 1,5% um dann bis März 2016 schrittweise bis auf 0%, ja, ihr lest richtig, 0,00% zu fallen!
Das heißt für risikolose Anlagen gibt es keine Verzinsung mehr. Für Anleihen mit sehr gutem Rating gibt es nur wenig mehr Rendite. Z. B. liefert eine Anleihe von Daimler noch 1,46%. Hier noch ein paar Details dazu:
Bedenkt man, dass die Inflation (die Teuerungsrate, die misst, um wieviel Prozent die Preise auf ein Jahr gesehen steigen) in Deutschland zuletzt 2,2% betrug, liefert die Daimler-Anleihe noch nicht mal mehr dafür einen Ausgleich. Es gibt auch Fonds, die anstatt in viele Aktien, wie Aktienfonds, in viele Anleihen investieren, sogenannte Anleihe- oder Rentenfonds. Das Prinzip ist bei diesen das gleiche, wie bei Aktien, aber leider wird durch den Zusammenschluss in Fonds die Rendite von Anleihen auch nicht besser. Über die Attraktivität von Anleihen als Geldanlage muss vor diesem Hintergrund jeder für sich selbst entscheiden.
Die Lieblingsprodukte von uns Deutschen, Sparbücher und Tagesgeldkonten, die früher niedrige, sichere Zinsen abwarfen, sind heutzutage überholt. Wer sein Geld zu 0,2% Zinsen bei einer Inflationsrate von über 2% anlegt, verliert Geld! Und mittlerweile gilt ähnliches leider auch für Anleihen. Da das so nicht sein sollte, und Geld trotzdem vernünftig angelegt werden muss, ist mit ein Grund, für diese Seite.
Zusammenfassung
Anleihen bieten Anlegern die Möglichkeit Staaten oder Unternehmen Geld zu leihen und dafür regelmäßig Zinsen zu bekommen.
Am Ende der Laufzeit wird die Anleihe zurückbezahlt, so dass der Anleger die Kreditsumme wiederbekommt.
Anleihen werden auch an der Börse gehandelt.
Und es gibt sie auch in Fonds.
Kurs und Rendite von Anleihen verhalten sich gegensätzlich.
Das Marktzinsniveau und die Risikoeinschätzung der Investoren sind die entscheidenden Faktoren für Anleihekurse.
Zinssätze sind die Einheit in welcher der Preis für Risiken gemessen wird (normalerweise)